Larissa, Athen, Patras und Samos

Medizischische Hilfe für Flüchtlinge in Samos - Med’EqualiTeam

Gerne möchten wir Euch in diesem Newsletter über die aktuelle Situation in Griechenland ins Bild setzen, eine neue mit uns kooperierende Organisation zur medizinischen Grundversorgung auf Samos vorstellen, sowie eine frisch lancierte Spendenkampagne zur Unterstützung unbegleiteter Minderjähriger im Larissa-Koutsochero Camp präsentieren .

Um die Komplexität der Lage besser verstehen und einschätzen zu können und somit den bestmöglichen Einsatz unserer Spendengelder zu garantieren, reiste ein aid hoc Team bestehend aus Jonas Härter, Helena Klein und Bastian Lehner Ende August für 10 Tage nach Griechenland. Sie haben Gespräche mit unseren Partnerorganisationen geführt und drei Tage mit Sven Weiss von der NGO InterVolve im Larissa-Koutsochero Camp mitgearbeitet. Im Anschluss reisten sie weiter nach Athen, um das Pampiraiki Sachspendenlager, dem unsere letzte Kleiderspende zu Gute kam, zu besuchen und den Bedarf für weitere Sammlungen zu klären. Zum Abschluss führte ihre Reise über Patras mit der Fähre auf die Insel Samos, um die Kooperation mit dem medizinischen Hilfsprojekt Med’EqualiTeam zu konkretisieren.

Generelle Informationen
Nachdem sich im Frühjahr die Lage auf dem nordgriechischen Festland aufgrund der vielen, aus der Türkei über den Landweg einreisenden, Flüchtenden verschärft hat, kam es zwischenzeitlich zu einer gewissen Stabilisierung. Leider geht der Registrierungsprozess der Flüchtenden aber extrem schleppend vonstatten, bis zum Abschluss dessen die Menschen von offizieller Seite her kaum Unterstützung erhalten. Dies ist einer von vielen Gründen, weshalb auch in den Lagern in Nord- und Zentralgriechenland (Diavata, Lagkadikia, Alexandria, Nea Kavala, Larissa, u.a.) die Arbeit von Freiwilligenorganisationen und internationalen Nichtregierungsorganisationen noch immer von grösster Wichtigkeit ist. So beispielsweise die von aid hoc immer wieder finanziell unterstützte NGO IHA (Intereuropean Human Aid Association, http://www.iha.help).
Trotz deutlicher Verbesserung der Bedingungen in den letzten Monaten, leben viele Menschen nach wie vor in Campingzelten oder Gemeinschaftsräumen. Unterdessen wurde sogar ein altes Zeltcamp nördlich von Thessaloniki, ganz im Stile von 2016, als Transitcamp wieder eröffnet. Dort werden Neuankömmlinge von der EU-Aussengrenze nach der polizeilichen Erstaufnahme hingeschickt, bis in einem permanenten Camp ein Platz frei wird. Die existierenden Camps auf dem Festland haben unterdessen fast alle die maximale Kapazität erreicht, während sich gleichzeitig die Situation auf den Inseln verschärft. Es kommen noch immer täglich Menschen aus der Türkei über den Seeweg auf den griechischen Inseln (v.a. Lesbos, Samos, Chios) an. Der Registrierungs- und Asylprozess auf den Inseln funktioniert aber nur sehr langsam und es kommt zu einer Flaschenhalssituation: Während Asylsuchende nur tröpfchenweise die Inseln in Richtung Festland verlassen können, kommen in viel grösserer Zahl neue Menschen auf den Inseln an. Die Folgen sind massiv überbelegte Camps auf den Inseln mit schlecht funktionierender, überlasteter Infrastruktur und dies leider in einem völlig neuen Ausmass.
Dank des international zunehmenden politischen und medialen Druckes bezüglich der verheerenden Situation auf den griechischen Inseln, zeichnet sich seit wenigen Wochen erstmals wieder eine verstärkte Verschiebung der Flüchtenden von den Inseln aufs Festland ab. Mit der Entlastung der Inseln wird sich wiederum die Lage auf dem Festland verschärfen, da die Menschen nach wie vor nur schleppend auf andere europäische Länder verteilt werden. Es wird somit bedauerlicherweise auch im kommenden Winter die Arbeit von uns Freiwilligenorganisationen brauchen, um die grundlegendsten Bedürfnisse dieser Menschen decken zu können. Gleichzeitig befinden wir uns im dritten Jahr der „griechischen“ Flüchtlingskrise und es wird für alle Organisationen zunehmend schwieriger, die für ihre Arbeit notwendigen finanziellen Mitteln durch Spenden aufzubringen.

 

Larissa Camp, InterVolve Free Shop

Larissa – Koutsochero Camp (Zentralgriechenland)
In Larissa wurde den Dreien für drei Tage die Mitarbeit bei der NGO InterVolve ermöglicht. Dadurch erhielten sie einen fundierten Einblick in die Situation eines typischen permanenten Camps auf dem Festland. Dieses hat seit kurzem mit etwas über 1500 Menschen die volle Kapazität erreicht.
InterVolve ist eine griechische Freiwilligenorganisation, die sich im Koutsochero-Camp in den letzten eineinhalb Jahren als ebenbürtiger Partner zu den grossen Organisationen etabliert hat. Die Zusammenarbeit mit den Behörden läuft sehr gut. Dies ist von grosser Wichtigkeit, da sich unterdessen – abgesehen vom DRC (Danish Refugee Council) – alle grossen Organisationen aufgrund der auslaufenden EU-Finanzierung zurückgezogen haben. So war auch die von der EU beauftragte Kinderschutzorganisation per Ende August 2018 mit der Streichung ihres Mandates gezwungen, sich aus Koutsochero zurückzuziehen. Der griechische Staat kann aktuell aber nur 1’200 altersgerechte Unterbringungen für die 4’000 unbegleiteten Minderjährigen anbieten. Dies führt dazu, dass in den übrigen Fällen die Sicherungsverwahrung der Kinder und Jugendlichen die einzige Möglichkeit darstellt, deren Schutz zu gewährleisten. Dies bedeutet aber nichts anderes als eine Inhaftierung in einem staatlichen Jugendgefängnis.
In Koutsochero führte das bei den acht im Camp lebenden unbegleiteten Minderjährigen dazu, dass sie sich, nach Monaten in einem einigermassen sicheren und vertrauten Umfeld, plötzlich einer Sicherheitsverwahrung ausgeliefert sahen. InterVolve konnte dies nur verhindern, indem sie selbst die notwendige Betreuung und Versorgung dieser Kinder und Jugendlichen vor Ort im Camp übernehmen. Um die zusätzlichen Kosten zu decken, benötigt InterVolve nun aber dringend Unterstützung. Wir von aid hoc sind entschlossen dabei mitzuhelfen, die Sicherheitsverwahrung dieser acht Jugendlichen zu verhindern! Dafür brauchen wir acht SpenderInnen, welche je eine symbolische, anonyme Patenschaft von monatlich 77.- CHF übernehmen. Damit wäre die Versorgung mit Essen, Kleider und Hygieneartikel gedeckt.
Können Sie sich eine solche Patenschaft (oder auch ein Teilbetrag davon) vorstellen? Dann melden Sie sich unbedingt bei uns für mehr Informationen.

Athen
In Athen besuchten Basti, Helena und Jonas das Pampiraiki-Warehouse. Dies ist ein Lagerhaus zur weiteren Organisation und Verteilung von Sachspenden. Es ist ausserordentlich gut organisiert und, im Unterschied zu vielen anderen Lagerhäusern, kommen regelmässig Spenden an und werden effizient weiterverteilt. Pampiraiki versorgt verschiedene offizielle und inoffizielle Camps in der Region Athen und hat zudem ein Abkommen mit den Fährgesellschaften, das ihnen den gratis Transport von 40 Kisten pro Woche auf die Ägäis-Inseln ermöglicht.

Somit ist das Pampiraiki-Warehouse der ideale Partner für weitere Sachspenden-Sendungen. Eine nächste aid hoc Kleidersammlung ist bereits für den 27 Oktober in St. Gallen geplant. Weitere Informationen folgen.

Samos
Als letzte Destination führte die Reise auf die Insel Samos. Dort befindet sich am Stadtrand des Hauptortes Vathy ein Camp, welches die offizielle Kapazität von 648 Menschen mit aktuell rund 4000 Flüchtenden bereits um ein Vielfaches überschritten hat. Die Anzahl Menschen, welche dort auf engstem Platz eingepfercht sind, übersteigt gar die Einwohnerzahl der kleinen Stadt.
Sobald Neuankömmlinge ins Camp gebracht werden, müssen sie sich selbständig um eine Schlafgelegenheit in den unzähligen, überfüllten Zelten bemühen. Somit schlafen viele einfach unter Planen oder freiem Himmel. Mittlerweile platzt das Camp aus allen Nähten und notdürftige Unterkünfte wurden auf zwei Seiten des Camps in der Böschung errichtet. Als sanitäre Einrichtungen dienen chemische Toiletten und rund 30 Duschkabinen. Aufgrund des fehlenden Trinkwasseranschlusses sind diese allerdings nur für wenige Stunden am Tag in Betrieb und die Campbewohner erhalten dafür eine einzige Flasche Wasser am Tag.
Im Camp befindet sich des Weiteren eine „sichere Zone“ für unbegleitete Minderjährige. Diese ist mit gut 70 Jungen völlig überbelegt. Für Mädchen und jüngere Kinder stehen zusätzlich zwei Kinderheime auf der Insel zur Verfügung.
Die medizinische Versorgung sollte durch die staatliche Institution Keelpno erfolgen. Einerseits sind dort aber die personellen Möglichkeiten begrenzt, andererseits muss sich dieser eine Arzt vor allem um eine erste Einschätzung der neu ankommenden Menschen kümmern, um so besonders vulnerable Fälle zu identifizieren. Dadurch ist die ärztliche Versorgung der Campbewohner nicht gewährleistet.
Des Weiteren arbeiten zwei Psychologinnen von IOM (internationale Organisation für Migration) vor Ort, welche sich um die Abklärungen psychischer Probleme kümmern. Dies ist ein äusserst wichtiges Angebot, waren doch viele der Flüchtenden in der Vergangenheit körperlicher, psychischer und insbesondere auch sexueller Gewalt ausgesetzt. Auch im Lager kommt es immer wieder zu Gewalt und sexuellen Übergriffen. Leider steht den Menschen aufgrund der limitierten Kapazität jeweils nur eine psychologische Konsultation zu.

Medizischische Hilfe für Flüchtlinge in Samos - Med’EqualiTeam Paxis

Die Situation auf Samos ermutigte die französische Ärztin Sophie Gédéon im Juli 2018 dann auch, die medizinische Organisation Med’EqualiTeam zu gründen. Sophie kennen wir bereits von ihrer Tätigkeit als Koordinatorin bei der NGO DocMobile, wo einige von uns auch schon eng mit ihr zusammengearbeitet haben. Trotz des noch jungen Projektes konnte sie bereits eine enge Kooperation mit dem griechischen Gesundheitsministerium etablieren. Aktuell sieht ihr Team täglich 25-50 Patienten in einer Art Hausarztpraxis neben dem Camp.
Sophie Gédéon deckt mit dem Med’EqualiTeam unserer Meinung nach eine grosse Lücke in der medizinischen Grundversorgung der BewohnerInnen des Vathy-Camps. Aufgrund ihrer umfangreichen Erfahrung und ihrer seriösen Arbeitsweise geniesst Sophie unser vollstes Vertrauen und wir haben entschieden, das Projekt auf einer längerfristigen Basis finanziell und organisatorisch zu unterstützen.
Dank eurer Spenden haben wir die Möglichkeit, die Miet- und Nebenkosten der Praxisräumlichkeiten zu übernehmen. Die Kosten belaufen sich auf rund Fr. 900.- pro Monat.
Auch braucht es stetige Unterstützung durch freiwillige Helfer folgender Bereiche:
ÄrztInnen (Fach – und AssistenzärztInnen)
Pflegefachpersonen
MedizinstudentInnen
ÜbersetzerInnen (Französisch, Arabisch oder Farsi zu Englisch)
Solltet Ihr oder jemand in eurem Bekanntenkreis Interesse an einem Freiwilligeneinsatz haben, stehen wir sehr gerne für weitere Informationen und Fragen per E-Mail oder telefonisch (071 511 51 39) zur Verfügung. Sollte Interesse an einem nicht medizinischen Einsatz bestehen, können wir natürlich auch immer weiter helfen.

Um unsere Arbeit weiterführen zu können, sind wir stets auf eure finanzielle Unterstützung angewiesen. Jeder Betrag hilft, das Leid der Flüchtenden zu mindern – Herzlichen Dank!
Gerne halten wir Euch über den weiteren Verlauf unserer Projekte auf dem Laufenden und danken herzlichst für Euer Interesse und die grossartige Unterstützung.

Euer aid hoc Team

Arion Gastpar, Daniela Güdel, Helena Klein, Medea Messerich, Sophie Huemer, David Baumann, Bastian Lehner und Jonas Härter