Dringender Spendenaufruf

Wie ihr den Medien sicherlich bereits entnommen habt, ist die Grenze der Belastbarkeit in Griechenland erreicht. Jonas ist vor Ort und versucht mit unseren Partnerorganisationen vor Ort weiterhin alle Aufgaben wahrzunehmen.

Auf den fünf ägäischen Hotspot-Inseln (v.a. Lesbos, Samos und Chios) an der europäischen Aussengrenze zur Türkei herrscht Notstand. Mehr als 42’000 Menschen auf der Flucht stecken allein auf den ägäischen Inseln fest, die lokale Bevölkerung ist komplett überfordert mit dieser Herausforderung und wurde die letzten fünf Jahre weitgehend mit der Situation allein gelassen. Die griechische Regierung versuchte ihren Plan, Moria und die anderen überfüllten Empfangszentren durch geschlossene Registrierungszentren zu ersetzen, mit Gewalt gegen lokalen Widerstand von der Bevölkerung durchzusetzen. Wüste Strassenschlachten und Bürgerunruhen waren das Resultat.
Die CampbewohnerInnen versuchten ebenfalls gegen ihre ausweglose Situation und das neue, viel strengere Asylgesetz zu protestieren und wurden mit Tränengas von der Staatsgewalt davon abgehalten. In Folge fühlten sich die DorfbewohnerInnen von Moria (Lesvos) dazu genötigt, zur Selbstjustiz zu greifen und ihr Dorf gegen alle Fremden zu verbarrikadieren.

Seit eineinhalb Wochen überschlagen sich die Ereignisse: Die Türkei kündigte vor etwas mehr als einer Woche an, dass ihre Grenzen zu Europa geöffnet sind und liess damit eine bereits überspannte Situation eskalieren. Die griechische Regierung reagierte mit der Ausserkraftsetzung von Artikel 14 der Menschenrechtsverordnung – zurzeit kann kein Asyl beantragt werden.

Kurzzeitig kommen viel mehr Boote auf den Inseln an als üblich, kurz darauf wird die Land- und Seegrenze aber mit allen erdenklichen Mitteln von griechischer Seite geschlossen. Auf Lesvos halten wütende Einheimische die Behörden davon ab, die traumatisierten Neuankömmlinge in ihren nassen Kleidern zur Registrierung nach Moria zu bringen. Im Hafen von Thermi hält ein wütender Mob 48 Flüchtende davon ab, ihr Schlauchboot zu verlassen, die anwesende UNHCR Repräsentantin wird bedroht und ein Journalist verprügelt.
NGOs und internationale Freiwillige werden zu Sündenböcken erklärt und eine gewaltsame kleine Minderheit startet eine Hetzjagd: Es folgen mehrere Fälle, in denen internationale Freiwillige und auch lokale NGO-Mitarbeitende Opfer von gewalttätigen Übergriffen werden. Fahrzeuge werden zerstört, Menschen mit Ketten und Knüppeln bedroht und angegriffen, das (bereits geschlossene) UNHCR-Transitlager in Nordlesvos und ein Spendenlager in Chios abgebrannt. Einige NGOs ziehen sich von den Inseln zurück oder evakuieren Teile ihrer Belegschaft. Es häufen sich Berichte von Übergriffen auf Flüchtende und darauffolgender Unruhen in den Camps. Auf Samos wird eine Volunteer-Unterkunft angegriffen und als trauriger Höhepunkt brennt das Gemeinschaftszentrum One Happy Family (Schweizer Organisation) mitsamt informeller Schule für Flüchtlingskinder nieder. Als wäre das nicht genug, folgt heute die Meldung der ersten bestätigten Corona-Virus Infektion auf Lesvos.
Wir sind vor Ort und wollen unseren Partnerprojekten auf Samos und Lesvos in dieser extremen Situation beiseite stehen. Zu diesem Zweck starten wir eine dringliche Spendenkampagne, um in folgenden Kernbereichen Soforthilfe zu leisten:

1. Medizinische Grundversorgung:

Immer mehr Menschen stehen einem völlig überlasteten öffentlichen Gesundheitssystem auf den Inseln gegenüber. Die medizinischen NGOs sind für die Menschen in den Camps wichtiger als je zu vor und arbeiten gleichzeitig unter schwierigeren Umständen als je zuvor. Für unsere Partnerorganisation auf Samos, Med’EqualiTeam brauchen wir unbedingt:

– 4’000 € für Medikamente
– 1’500 € für Vorbereitungen auf eine Corona-Virus Infektion
– 600 € für ein zweites Mietauto
– 500 € Evakuationsfonds
– und weitere 2’400 €, um auch medizinische NGOs auf Lesvos gezielt unterstützen zu können

2. Rechtsberatung:

Mit dem neuen, viel strengeren Asylrecht in Griechenland ist effiziente und unmittelbare Rechtshilfe wichtiger denn je. Für unsere Partner von Avocats sans Frontières France auf Samos decken wir bereits die Kosten für die Anstellung einer griechischen Anwältin. Um sofort die Kapazität des Rechtshilfeteams zu verstärken und damit zusätzliche Beratungen und administrative Interventionen (sog. „interim measures“ an den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof) zu ermöglichen, brauchen wir

– 1’000 € für Spesen und Unterkunft eines/r Fachreferentin
– Für eine Verstärkung der Rechtsberatung auf Lesvos brauchen wir 2’000 €

3. Rechtlicher Beistand für angegriffene Helfende

Es häufen sich die Fälle von gewalttätigen Attacken gegen NGO-Mitarbeitende und Freiwillige. Unter keinen Umständen dürfen wir uns davon einschüchtern lassen und gleichzeitig müssen wir hier unser bestes Tun, Selbstjustiz und Rassismus keinen Raum zu lassen. Die juristischen Möglichkeiten in Griechenland müssen unbedingt ausgeschöpft werden. Um in 4-5 individuellen Fällen, mit denen wir in direktem Kontakt stehen, eine angemessene rechtliche Beratung und Vertretung sicherzustellen brauchen wir:

– 3’000 € für Anwaltskosten oder zur Reparatur von Sachschäden



Um all diese dringendst benötigte Hilfe bereitzustellen, müssen wir eine Gesamtsumme von 15’000 € zusammenbringen. Wir sind entschlossen, das gemeinsam mit euch allen zu schaffen. Danke, dass ihr gemeinsam mit uns die Menschen in den Hotspot-Camps nicht aufgebt und die Helfenden, die bis zum Äussersten gehen, in dieser schwierigen Zeit unterstützt.

Euer aid hoc-Team