Rechtshilfe, Hilfsgüterverteilung, Medizinische Versorgung, Informelle Schulbildung und Sanitäre Anlagen

Liebe aid hoc Unterstützer*innen

Dank eurer Hilfe konnten wir uns auch in den letzten Monaten für die Versorgung und Rechte der Flüchtenden in Europa einsetzen.

Das Wichtigste in Kürze (eine ausführliche Version folgt weiter unten):

  • Rechtshilfe: Es häufen sich Hinweise auf sogenannte «Pushbacks». Das sind illegale Abschiebungen von Geflüchteten in die Türkei mit Verwehrung der Möglichkeit, in der EU einen Asylantrag einzureichen. Aid hoc hilft Jurist*innen zu finanzieren, welche vor Ort gegen Menschenrechtsverletzungen vorgehen. Auch werden Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität verfolgt werden, im Asylprozess unterstützt.
  • Hilfsgüterverteilung: Trotz Sachspenden aus ganz Europa fehlt es bei Hilfsgüterverteilungen meist an Dingen wie Unterwäsche, Socken, Schuhen oder Hygieneartikeln. Aid hoc finanziert Zukäufe und unterstützt den Betrieb von Sachspendenlager, von wo aus Partnerorganisationen Verteilungen an die Geflüchteten organisieren. 
  • Medizinische Versorgung: Einerseits stellt die Coronapandemie eine gesundheitliche Bedrohung für die Geflüchteten dar, andererseits wird dadurch auch die medizinische Versorgung u.a. aufgrund mangelnden Schutzmaterials und erschwerter Rekrutierung von Freiwilligen erschwert. Aid hoc unterstützt weiterhin medizinische NGOs auf Samos und Lesbos in der so dringend benötigten Grund- und Notfallversorgung der Geflüchteten.
  • Informelle Schulbildung: Geflüchteten Kindern wird häufig der Zugang zur öffentlichen Schule verwehrt. Aid hoc mietete Schulräume für eine Partnerorganisation, um jugendlichen Geflüchteten auf Samos, trotz Erdbebenschäden am normalen Schulgebäude, endlich wieder Zugang zu Bildung zu ermöglichen.
  • Sanitäre Anlagen: Im, nach dem Brand neu aufgebauten, Lager auf Lesbos sind die sanitären Anlagen weiterhin ungenügend. Aid hoc finanziert mehrere chemische Toiletten, welche auch für Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung zugänglich sind.

Das Allerwichtigste in Kürze: Wir brauchen eure Hilfe!
Nachdem wir mit einem guten finanziellen Polster in die Pandemiezeit gestartet sind, gestaltet sich die Spendensammlung seither schwieriger, unter anderem da kaum noch Anlässe stattfinden. Dank eurer Unterstützung konnten wir in den letzten Monaten unser Engagement sogar noch ausbauen. Wir sind überzeugt von der Qualität und Wichtigkeit der Arbeit unserer Partnerorganisationen und möchten diese unbedingt weiterhin unterstützen.

Für die nächsten 3 Monate benötigen wir beispielweise:

  • 19’140 CHF, um weiterhin juristisch gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen.
  • 15’040 CHF, um weiterhin die medizinische Grundversorgung zu verbessern.
  • 6’600 CHF, um die Partnerorganisationen bei Hilfsgüterverteilungen zu unterstützen.

Jede Spende zählt!
Bezüglich Planungssicherheit sind Daueraufträge auch kleiner Beträge besonders hilfreich.
Herzlichen Dank.

Für interessierte Leser*innen folgt ein zweiter Teil mit ausführlicheren Informationen zu unserer Arbeit der letzten Monate.

Euer aid hoc Team: Arion, Bastian, Daniela, David, Helena, Jonas, Medea, Sophie

Med’EqualiTeam, Photo credit  Abdus Sobahan

Der fünfte Winter in den ägäischen «Hotspots», den fünf sogenannten Empfangs- und Identifikationszentren auf den griechischen Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos entlang der europäischen Aussengrenze zur Türkei, ist überstanden (zur politischen Einordnung hat Saiten einen Artikel von Jonas veröffentlicht). Wartend auf die Bearbeitung ihres Asylgesuchs, harren seit der Unterzeichnung der EU-Türkei-Erklärung von 2016 jeden Winter tausende Asylsuchende in Zelten, überfüllten Wohncontainern und selbstgebauten Hütten in Kälte und Regen aus. Für tausende weitere Menschen auf der Flucht, viele von ihnen bereits anerkannte Flüchtlinge, war es ein Winter in Ungewissheit auf dem griechischen Festland. Durch die Corona-Pandemie gestaltet sich die Integration in die griechische Gesellschaft sowie die Arbeitssuche noch schwieriger und Hoffnungen auf ein Weiterkommen in ein anderes europäisches Land wurden weiter geschmälert.
 
Auch für aid hoc ist es bereits der fünfte Winter, in dem wir aus humanitärer Überzeugung diesen Menschen zur Seite stehen. In Zusammenarbeit mit kleinen Partnerorganisationen vor Ort tragen wir dazu bei, dass Betroffene ihr Leben etwas einfacher, sicherer und würdiger gestalten können. Wir weigern uns, die Not und das Leiden der hier bei uns in Europa schutzsuchenden Flüchtenden zu vergessen. Das Leiden ist zur Normalität geworden und, wenn wir ehrlich sind, auch seit fünf Jahren Bestandteil einer bewusst gewählten europäischen Migrationspolitik. Aber wir geben nicht auf! Ein Asylgesuch einreichen zu können und in einem sicheren Umfeld in Würde angehört zu werden, ist ein nicht verhandelbares Menschenrecht. Wir wollen den bei uns in Europa Schutz Suchenden Menschlichkeit zeigen und wir akzeptieren nicht, dass ihre Rechte in Frage gestellt werden. Aid hoc setzt sich weiterhin für humanitäre Direkthilfe gegen das Leiden in den Flüchtlingslagern ein und trägt zudem zivilgesellschaftliche Initiativen zum Schutz der Menschenrechte von Asylsuchenden mit. All dies ist uns nur dank Eurer grosszügigen und treuen Unterstützung möglich! Wir bedanken uns herzlich und hoffen, auch weiterhin auf Euch zählen zu können.
 
Nach dem schrecklichen Brand in Moria im letzten September folgte auf Lesbos ein Winter im neuen, riesigen Zeltlager «Mavrovouni» direkt an der Küste. Ungenügende Sanitäranlagen, Überschwemmungen und ein mit Giftstoffen verseuchter Boden sind Beispiele für die weiterhin zahlreichen, ungelösten Probleme. Auf den anderen Inseln hat sich der Zustand und die Infrastruktur der Lager im Vergleich zu den Vorjahren ebenfalls kaum verbessert. Für eine gewisse Entschärfung der Situation sorgte lediglich die, im Vergleich zum vorigen Winter, deutlich tiefere Zahl an Menschen, die in den Lagern ausharren mussten: Laut offizieller Statistik beherbergten die Hotspots diesen Winter rund 14’000 Menschen (offizielle Kapazität 11’338), was deutlich weniger ist als im Winter 2019/20, als die Lager mit mehr als 38’000 (bei einer offiziellen Kapazität von 6’178) noch hoffnungslos überfüllt waren. Einerseits haben die Behörden erfreulicherweise dafür gesorgt, dass Asylgesuche behandelt oder Sonderbewilligungen ausgestellt wurden, sodass mehr Menschen die Inseln verlassen konnten. Andererseits lassen sich die tiefen Zahlen auch durch die kaum noch stattfindenden Neuankünfte erklären. Die Gründe dafür sind wiederum mehr als fragwürdig, da immer häufiger von rechtswidrigen «pushbacks» (Kollektivabweisungen ohne Möglichkeit zum Asylgesuch) berichtet wird: Mehrere Recherchen (z.B. im Spiegel, den New York Times oder im Guardian) ergaben, dass Flüchtende inklusive Kinder auf antriebslosen Flossen aufs offene Meer in türkische Gewässer geschleppt und dort sich selbst überlassen werden.
 
Aid hoc engagiert sich aktuell in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen auf Lesbos, Samos, dem griechischen Festland sowie neu, aufgrund einer dringenden Anfrage, in Bosnien. Erfreulicherweise konnten wir in den letzten Monaten unsere Hilfe sogar ausbauen und nachhaltiger gestalten. Dank eurer grosszügigen Unterstützung können wir momentan mehr finanzielle Hilfe leisten als je zuvor! In den meisten Fällen stehen wir nun in längerfristigen Vereinbarungen mit den Organisationen vor Ort, für deren Aufbau oder Pflege Jonas in einem sehr kleinen Pensum vorübergehend von aid hoc angestellt wurde. Wir profitieren nun von unserer ausgezeichneten, über die letzten Jahre aufgebauten Vernetzung vor Ort, insbesondere auch da Jonas unterdessen in die Schweiz zurückgekehrt ist. Die Arbeit der meisten Partnerorganisationen verfolgen wir seit Langem und pflegen enge Verbindungen zu den Koordinator*innen. Ein längerer medizinischer Einsatz von Daniela und eine umfassende Projektvisite von Sophie sind für diesen Sommer ebenfalls in Planung. Durch all diese Massnahmen können wir weiterhin den bestmöglichen Einsatz eurer Spendengelder garantieren.
 
Nachfolgend möchten wir euch einen Überblick über die von aid hoc unterstützten Projekte geben. 

Legal Centre Lesvos 

Rechtshilfe
Aufgrund wiederkehrender Menschenrechtsverletzungen setzten wir uns aktiv für den Schutz der Menschenrechte von Asylsuchenden ein. Auf Lesbos verlängerten wir unsere Zusammenarbeit mit dem etablierten Legal Centre Lesvos (LCL) für weitere 6 Monate. Wir decken die Lohnkosten einer griechischen Anwältin, die u.a. Asylsuchende vor Gericht vertritt und Menschen, welche aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität verfolgt wurden, im Asylverfahren begleitet. Als Beispiel hat das LCL-Team jene flüchtende Mutter vor Gericht vertreten, welche sich aus Verzweiflung durch Selbstentzündung das Leben nehmen wollte und daraufhin wegen Brandstiftung angeklagt wurde. LCL hat beim Europäischen Gerichtshof für Menschrechte erreicht, dass durch einstweilige Verfügungen einige besonders vulnerable Asylsuchende sofort aus dem Camp aus Lesvos evakuiert wurden. Auch hat das LCL-Team am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage aufgrund oben erläuterter Pushback-Operationen eingereicht.
Auf Samos unterstützen wir das Human Rights Legal Project. Seit Sommer 2020 helfen wir aktiv planerisch und durch finanzielle Unterstützung mit, dass sich ein kleines Team von Jurist*innen auf der Insel etablieren konnte, um gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen. Aktuell fokussiert sich das Projekt auf die Themen Pushbacks, Racial Profiling und die Corona-Isolationsmassnahmen im Camp. Eine weitere, durch uns für eine Probephase von 3 Monaten neu unterstütze, Rechtshilfeorganisation stellt Equal Legal Aid dar. Diese bietet Flüchtenden in und um Thessaloniki Rechtsberatung im Asylverfahren an.

Med’EqualiTeam

Medizinische Hilfe
Seit 2018 unterstützen wir auf monatlicher Basis das Med’EqualiTeam auf Samos. Diese NGO betreibt sowohl in der Stadt eine kleine Klinik zur medizinischen Grundversorgung, als auch einen zweiten Standort direkt beim Camp. Dadurch stellen sie sicher, dass ihre Hilfe den Patient*innen auch während Bewegungsbeschränkungen aufgrund der Corona-Massnahmen zugänglich ist. Trotz tieferer Belegungszahl im Camp ist die Arbeit aufgrund der Corona-Pandemie wichtiger denn je. Wir entschieden uns, den monatlichen Beitrag an die Organisationskosten ab April zu erhöhen, und decken nun zusätzlich zur Klinikmiete das Stipendium für die medizinische Koordinatorin.
Auf Lesbos arbeiten wir neu mit der Crisis Management Association (CMA) zusammen, die im neuen Camp die rudimentäre staatliche Gesundheitsversorgung chronisch kranker Flüchtlinge mit Komplementärangeboten unterstützt. Wir finanzieren Medikamente und konnten die Anschaffung einer mobilen zahnärztlichen Behandlungseinheit ermöglichen.

Still i rise

Schulbildung
Bei der informellen Schulbildung unterstützten wir mit einer einmaligen Spende Still I Rise dabei, vorübergehend ein Schulprovisorium anzumieten. Dies war notwendig, da die zuvor gemietete Schulinfrastruktur beim Erdbeben letzten Herbst beschädigt wurde. Dadurch konnten wir schnell und unkompliziert dabei helfen, dass die Jugendlichen aus dem Samos Camp endlich wieder Zugang zu Bildung erhalten.

Still i rise

Sachspenden
Ein nach wie vor wichtiger Bereich der humanitären Direkthilfe vor Ort ist die Deckung materieller Grundbedürfnisse. Weiterhin arbeiten wir eng mit Refugee4Refugees (R4R) zusammen, deren Freiwilligenteams unterdessen an den drei Standorten Samos, Lesbos und Athen operieren. Auf Samos unterstützten wir beispielsweise ab Dezember für drei Monate den Betrieb des Spendenlagers (Miete, Transport/Benzin, Essen für Helfende) sowie den Zukauf von Sachspenden (Socken, Unterhosen). Dadurch konnte eine Massenverteilung von unter anderem Winterkleidern und Schuhen durchgeführt werden.
Das R4R-Team auf Lesbos identifizierte im neuen Camp auf Lesbos den dringenden Bedarf an, für Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung zugänglicher, Toiletten. Seit Februar finanzieren wir Miete und Unterhalt von drei rollstuhlgängigen, chemischen Toiletten vorerst für vier Monate. Ausserdem unterstützten wir das R4R-Team in Athen beim Kauf von Baumaterialien für den Aufbau eines Zentrallagers für Hilfsgüter.
In Sarajevo, der Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina, stecken tausende Flüchtende auf dem Weg nach Westeuropa fest. Es gibt kaum staatliche Unterstützung und die Winter sind besonders kalt. Aus diesem Grund unterstützten wir das Community-Zentrum ComPass071 mit einem einmaligen Betrag, um unter anderem Schlafsäcke, Socken und Winterschuhe zu verteilen.
 

Refugee4Refugees

Nach diesen Ausführungen möchten wir Euch erneut von ganzem Herzen für die Unterstützung danken, welche aid hocs Hilfe vor Ort überhaupt erst möglich macht. Wir hoffen, Euch aufgezeigt zu haben, dass zur Verbesserung der Bedingungen und Rechte von Asylsuchenden am Rande von Europa weiterhin ein grosser Bedarf an humanitärer Hilfe besteht.
Für die Weiterführung unserer Arbeit in den kommenden Monaten sind wir dringend auf Geldspenden angewiesen und würden uns sehr freuen, wenn wir weiterhin auf Euch zählen dürften.
 
Danke!
 
Euer aid hoc Team: Arion, Bastian, Daniela, David, Helena, Jonas, Medea, Sophie