Samos

Wir freuen uns, euch ein Update über die aktuelle Situation auf Samos zu geben. Darin beschreiben wir die ersten Erfolge des Winter-Notfallplans von aid hoc in Kooperation mit der britischen Organisation Help Refugees. In einem zweiten Teil wird Daniela über ihre Erlebnisse und die Herausforderungen bei der Arbeit in der NGO-Klinik von «Med’EqualiTeam» berichten.
Das Flüchtlingslager auf Samos bekommt nach wie vor wenig mediale Aufmerksamkeit, obwohl es mit seinen verheerenden und unmenschlichen Bedingungen momentan einen der schlimmsten Schandflecke der europäischen Flüchtlingspolitik darstellt. Betrieben wird es von der griechischen Regierung. Rund 4‘700 (Stand Januar 2019) Menschen harren in einem Lager aus, das offiziell Platz für 650 Personen bietet. Tausende leben Monate bis Jahre im so genannten «Jungle», einem inoffiziellen Zeltlager, welches im abschüssigen Olivenhain um das eigentliche Camp herum entstanden ist. Dort gibt es weder WCs noch fliessend Wasser oder Strom. Zelte werden nicht mehr ausgegeben. Die Flüchtenden müssen diese im Städtchen mit ihrem letzten Geld kaufen. Die Januarnächte waren oft bitterkalt mit Dauerregen bei 2-3 Grad und Sturmwinden oder gar Schneefall. Viele haben keinen Schlafsack geschweige denn Winterjacken oder Schuhe. Kinder wie Erwachsene tragen meist Plastiksandalen. Die Essensversorgung ist dürftig, für jede Mahlzeit muss Schlangestehen über bis zu 3 Stunden in Kauf genommen werden, sodass die Kinder abends häufig mit leeren Bäuchen einschlafen. Auch wird den meisten Kindern aus dem Camp der Zugang zur lokalen Schule verweigert.

Flüchtlingslager in SamosFlüchtlingslager in Samos

Flüchtlingslager in SamosSich zu empören und den Kopf zu zerbrechen, was mit den Milliarden an EU-Geldern geschieht, mag wichtig sein, lindert aber zum aktuellen Zeitpunkt die Not der Flüchtenden nicht. So entschieden wir uns von aid hoc vor rund zwei Monaten in Kollaboration mit der britischen NGO «Help Refugees» einen Notfallplan für Samos zu erstellen mit rasch umsetzbaren Sofortmassnahmen. Dank eurer grosszügigen Spenden konnten wir in Zusammenarbeit mit «Help Refugees» bereits zu einer Verbesserung der Bedingungen beitragen. Es ist uns eine grosse Freude, euch hiermit die ersten Errungenschaften aufzeigen zu können.
Im «Jungle», dem inoffiziellen Campteil, konnten 10 mobile Toiletten installiert werden. 10 weitere folgen in Kürze. Mulden für den Müll wurden aufgestellt und werden jetzt regelmässig geleert.

Die NGO «Refugee4Refugees» unterstützen wir finanziell und organisatorisch bei Verteilungen von Winterkleidern im Camp sowie der Eröffnung eines «free shops», in dem Frauen und Kinder Kleider und Hygieneartikel gratis beziehen können. Die meisten Kleider konnten aus Volunteer-Lagerhäusern in Lesbos und Athen (Pampiraiki) bezogen werden – u.a. auch Kleider von unserer letzten Sammlung in St. Gallen. Fehlende Hygieneartikel (z.B. Seifen, Damenbinden, WC-Papier etc.) und Kleidungsstücke (v.a. Unterwäsche und Regenponchos) konnten wir in grosser Menge dazukaufen, sodass alle Frauen und Kinder (je rund 1‘200) bedient werden konnten. Ebenfalls finanzieren wir eine grossangelegte Abfallsammelaktion im Camp durch «Refugee4Refugees» unter Mithilfe der Bewohner sowie die Betriebskosten der Organisation.

Die NGO «Samos Volunteers» betreibt einen Waschsalon ausserhalb des Lagers. Im Angesicht der horrenden hygienischen Bedingungen im Lager ist dieser Service wichtiger denn je – wie alle bestehenden Strukturen aufgrund der massiven Überbelegung des Camps jedoch komplett überlastet. Wir übernahmen die Kosten für wichtige Reparaturen und Verbesserungen durch Sanitärinstallateure und Techniker. Nun sind wieder alle Maschinen fast rund um die Uhr in Betrieb. Die Waschkapazität wurde um 33% erhöht (300 zusätzliche Personen pro Monat). Zudem finanzieren wir das Waschmittel für zwei Monate.
Ebenfalls von «Samos Volunteers» betrieben wird ein Gemeinschaftszentrum, das eigentlich für verschiedene Kurse und Bildungsmöglichkeiten (Musik, Kochen, Sprachen etc) gedacht war. In diesem Winter wurde das Zentrum immer mehr zum einzigen warmen Zufluchtsort vor Regen und Kälte, zumindest tagsüber.
Da das Zentrum aus allen Nähten platzt, beauftragten wir eine lokale Firma effizientere Sitzgelegenheiten zu schaffen und werden bis Ende Februar voraussichtlich einen zweiten Stock sowie ein zweites WC einbauen können. Zudem übernahmen wir die Kosten der Reparatur und des Ausbaus der Elektroinstallationen mit Anbringen von zusätzlichen Steckdosen zum Aufladen der Mobiltelefone. Neben der einzigen Verbindung zu Familie und Freunden ist das Mobiltelefon auch dank der Taschenlampenfunktion unabdingbar. Aufgrund fehlender Beleuchtung in grossen Teilen des Camps stellt das Licht des Mobiltelefons ein wichtiger Sicherheitsfaktor dar. Auch beschafften wir 850 Solarleuchten mit integrierter USB-Ladefunktion, welche von «Samos Volunteers» an die Bewohnenden des «Jungles» verteilt wurden.